Pflegeapartment kaufen

In den Prospekten von Bauträgern und Anlagevermittlern ist der Kauf einer Pflegewohnung die perfekte Kapitalanlage: Anleger erzielen scheinbar mühelos Renditen von 4 Prozent und mehr - und das bis zu 25 Jahre lang und nahezu ohne Risiko. Der Betreiber des Pflegeheims zahlt als Pächter langfristig steigende Mieten und übernimmt alle Betriebskosten sowie einen Teil der Instandhaltung. Die Eigentümer der Wohnungen müssen sich um nichts kümmern: keine Mietersuche, keine Nebenkostenabrechnung, kein Ärger mit säumigen Mietern.


Da immer mehr Menschen pflegebedürftig werden, soll auch ein späterer Verkauf der einzelnen Wohnungen problemlos möglich sein. Nach Angaben des Anbieters gibt es sogar einen ordentlichen Wertzuwachs. Pflegeappartements, so steht es in fast jedem Prospekt, sind wertstabile Investitionen, krisensicher und inflationsgeschützt. Finanztest hat bundesweit neun Angebote für Pflegewohnungen samt Prospekten und Verträgen unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Pflegeappartements sind keineswegs so einfach und sicher eine Geldanlage, wie die Verkäufer sie darstellen - und sie sind auch nicht so rentabel.


Lange Zeit waren Pflegeheime wegen der Anschaffungskosten von vielen Millionen Euro nur etwas für Großinvestoren. Zunehmend werden sie aber wie gewöhnliche Wohnhäuser in Eigentumswohnungen aufgeteilt und dann scheibchenweise an private Investoren verkauft. Investoren können sich für 150.000 bis 300.000 Euro zb bei Von Hoff Immobilien ein Pflegeapartment kaufen. Dafür erhalten sie eine meist 20 bis 30 Quadratmeter große Wohnung und einen Anteil von etwa 25 bis 40 Quadratmetern an den Gemeinschaftsflächen.


Das Gebäude und das Gelände werden in der Regel für 20 bis 25 Jahre an den Betreiber des Pflegeheims verpachtet. Der Betreiber zahlt eine monatliche Miete, die auf die Investoren entsprechend ihrer Miteigentumsanteile an der Immobilie aufgeteilt wird. Die Miete wird regelmäßig an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepasst. In der Regel steigt sie nicht um den vollen Satz, sondern nur um 50 bis 80 Prozent der Inflationsrate.


In den Pachtverträgen ist in der Regel festgelegt, dass die Eigentümergemeinschaft nur für die Instandhaltung von "Dach und Fach" aufkommt, also für Reparaturen an Dach und tragenden Wänden, Versorgungsleitungen, Fenstern und Außentüren. Für die Renovierung der Wohnungen und Gemeinschaftsräume sowie für die Wartung und Instandhaltung der technischen Anlagen ist in der Regel der Betreiber zuständig.

Viele Menschen möchten ein Pflegeapartment kaufen

Eigentümer können für ihre Wohnung keine Eigennutzung für sich oder einen pflegebedürftigen Angehörigen geltend machen. Bei Leerstand im Pflegeheim werden sie jedoch in der Regel bevorzugt behandelt.


Lange Mietverträge, geringer Verwaltungsaufwand und zunächst niedrige Instandhaltungskosten sind zweifellos Pluspunkte. Richtig ist auch, dass der Bedarf an Pflegeplätzen steigt und dass der Bau und Betrieb von Pflegeheimen ein Wachstumsmarkt bleibt. Dennoch sollten sich Investoren den Kauf einer Wohnung dreimal überlegen. Die Risiken sind erheblich und schwer kalkulierbar.


Brutto ist nicht Netto

Schon die versprochenen Renditen, die derzeit meist zwischen 3,5 und 4,5 Prozent pro Jahr liegen, sind fragwürdig. Mit "Rendite" meinen die Anbieter meist nur die anfängliche Bruttomietrendite, die sich aus dem Verhältnis der Jahresmiete im ersten Jahr der Vermietung zum Kaufpreis der Wohnung ergibt.


Darin nicht enthalten sind die Grunderwerbsteuer, die je nach Bundesland 3,5 bis 6,5 Prozent des Kaufpreises beträgt, sowie 1,5 bis 2,0 Prozent für Notar- und Grundbuchgebühren. Außerdem sind die Vergütung für den Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft und die Beiträge zur Instandhaltungsrücklage nicht enthalten. Die Nebenkosten mindern die Nettoanfangsmietrendite um rund 0,5 Prozentpunkte auf durchschnittlich rund 3,5 Prozent (Renditeberechnung).


Performance-Risiko

Die Nettoanfangsmietrendite ist nur ein erster Indikator für die Rentabilität einer Immobilie. Wie hoch die Rendite tatsächlich ausfällt, hängt auch von der Entwicklung der Mieten und Werte ab. Einerseits steigen die Mieten, weil sie an die Inflationsrate gekoppelt sind. Auf der anderen Seite sollten Anleger damit rechnen, dass ihre Immobilie an Wert verliert.


Die Preise für Pflegeappartements sind hoch. Sie beinhalten Kosten für Gestaltung, Marketing und Vertrieb. Manchmal beträgt allein die Provision für den Anlagevermittler 9,5 Prozent des Kaufpreises. Investoren zahlen oft das 25-fache der Jahresmiete für ihre Wohnung. Fondsgesellschaften und andere institutionelle Anleger akzeptieren nicht einmal das 20-fache der Jahresmiete für Pflegeheime.


Hinzu kommt, dass Pflegeheime schnell altern, weil sich die Anforderungen an ihre Ausstattung und Gestaltung ständig ändern - nicht zuletzt durch gesetzliche Vorschriften. Zudem werden Pflegeheime stark genutzt, vor allem Gemeinschaftsräume wie Großküchen und Aufenthaltsräume.


Eigentümer müssen damit rechnen, dass zusätzliche Kosten anfallen, um die Immobilie spätestens zum Ende des Mietverhältnisses auf einen modernen Standard zu bringen. Die Instandhaltungsrücklage, in die oft nur winzige 0,1 Prozent des Kaufpreises pro Jahr fließen, wird dafür nicht ausreichen.


Je älter das Pflegeheim wird und je näher das Ende des Mietverhältnisses rückt, desto schwieriger kann es werden, die Wohnung zu einem guten Preis zu verkaufen. Warum sollten potenzielle Investoren einen hohen Preis für eine Wohnung in einem 20 Jahre alten und modernisierungsbedürftigen Pflegeheim zahlen? Daher wird die Rendite für den Anleger wahrscheinlich am Ende niedriger sein als die anfängliche Bruttomietrendite, mit der die Anbieter werben.


Risiko der Betreiberinsolvenz

Der größte Renditekiller wäre die Insolvenz des Betreibers. Er kann die vereinbarten Mieten nur zahlen, wenn er sich langfristig erfolgreich auf dem Pflegemarkt behauptet.


Das ist nicht so einfach. Um Pflegeheime rentabel zu betreiben, müssen die Pflegeplätze laut Experten zu mindestens 90 Prozent oder mehr ausgelastet sein. Fachkräftemangel und Konkurrenz durch neu gebaute Pflegeheime können dem einen Strich durch die Rechnung machen.


Gesetzliche Regelungen zur Ausstattung von Pflegeheimen und zur Qualität der Pflege werden sich in den nächsten 20 Jahren sicher ändern - höhere Quoten für Einbettzimmer oder strengere Anforderungen an Brandschutz, Energieeffizienz oder medizinische Ausstattung sind zum Beispiel möglich. Das kann teure Umbauten notwendig machen, die manche Betreiber überfordern.


Geht der Betreiber in Konkurs, droht ein Mietausfall. Es kann lange dauern, bis ein Nachfolger gefunden ist. Es kann sein, dass ein neuer Betreiber erst nach kostspieligen Umbauten oder nur zu einem niedrigeren Pachtzins einsteigt. Im schlimmsten Fall ist niemand an einer Weiterführung interessiert, weil der Bedarf in der Region durch modernere Heime und ambulante Pflegedienste gedeckt wird.


In einer 2019 veröffentlichten Studie des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung wird die wirtschaftliche Lage der Pflegeheime insgesamt als "relativ gut" bezeichnet. Bei 4 Prozent der untersuchten Heime bestehe aber ein erhöhtes Insolvenzrisiko. 24 Prozent schlossen 2017 mit einem Verlust ab.


Investoren setzen auf eine Karte

Unser Fazit: Pflegeappartements sind weder einfache noch risikolose Kapitalanlagen. Der Anlageerfolg hängt entscheidend vom wirtschaftlichen Erfolg des Betreibers ab. Anleger setzen daher viel Geld auf eine Karte: auf einen Standort, einen Betreiber und ein ganz bestimmtes, stark reguliertes Segment des Immobilienmarktes.


Der Verkauf von Wohnungen ist schwieriger als beispielsweise der Verkauf einer gewöhnlichen Eigentumswohnung. Und es kann viel schief gehen, von der Insolvenz des Betreibers bis zu unerwartet hohen Instandhaltungs- und Modernisierungskosten. Gemessen an den Risiken sind die Renditechancen nur mäßig. Eine perfekte Kapitalanlage sieht wahrscheinlich anders aus.



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